Schutz vor Starkregen und Hochwasser. Eine Herausforderung für alle

Schutz vor Starkregen und Hochwasser. Eine Herausforderung für alle

Am vergangenen Mittwoch fand ein „Bürgerworkshop Hochwasserschutz“ im Hohenstaufensaal statt. Die Bürger waren aufgerufen, ihre Erfahrungen und Maßnahmevorschläge zur Reduzierung der Schäden einzubringen. Das Interesse an der Veranstaltung war allerdings nicht überwältigend. Viele Plätze im kleinen Saal blieben leer (Foto).

Annweiler.7.11.2017/hi.

Doris Hässler-Kiefhaber vom Beratungs- und Planungsbüro Obermeyer (Niederlassung Kaiserslautern, www.opd.de) war mit ihrem Mitarbeiter Martin Cassel gekommen, um in die Thematik „Hochwasserschutz-Vorsorgekonzept“ einzuführen. Von den örtlichen Annweiler Verhältnissen hatte sich die Beratungsfirma vorab kundig gemacht in einem zweistündigen Rundgang mit den Verantwortlichen der Stadt. Eine Ortsbesichtigung von Gräfenhausen steht noch aus.

Im Vortrag ging es zunächst allgemein um die Problematik Wetterkapriolen und Starkregen-Ereignisse. Erstmalig kam es 2014 in Rheinland-Pfalz zu solchen „Jahrhundert-Ereignissen“. Annweiler traf es bekanntlich im vergangenen Jahr besonders schlimm, aber auch in diesem Jahr 2017 war zweimal die Alarmstufe rot ausgerufen worden. Von Starkregen – umgangsssprachlich auch Wolkenbruch genannt – spricht man, wenn sich innerhalb kurzer Zeit größere Wassermassen auf ein zumeist eng begrenztes Gebiet ergießen (definitionsgemäss mehr als 25 Liter pro Quadratmeter in einer Stunde).  Anhand zahlreicher Fotos illustrierte die Referentin, wie das dann zu schnell ansteigenden Wasserständen und zu Überschwemmung führt. Häufig einhergehend mit Bodenerosion. Eine zentrale Botschaft in den Ausführungen war, dass Hochwasserschutz eine Gemeinschaftsaufgabe ist. In §5, Abs.2 WHG (Wasserhaushaltsgesetz, Allgemeine Sorgfaltspflichten) heißt es dazu: “Jede Person, die durch Hochwasser betroffen sein kann, ist im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren verpflichtet, geeignete Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor nachteiligen Hochwasserfolgen und zur Schadensminderung zu treffen, insbesondere die Nutzung von Grundstücken den möglichen nachteiligen Folgen für Mensch, Umwelt oder Sachwerte durch Hochwasser anzupassen“.

Hierzu gehört auch, so Hässler-Kiefhaber unter Hinweis auf die starken Erosions-Rinnen bei den ausgedehnten Maisäckern auf dem Klingelberg, eine „hochwassermindernde Flächenbewirtschaftung, was bei hangparalleler Bewirtschaftung mit Grünstreifen in und Randstreifen um den Maisanbau zu leisten wäre“.

Auf Nachfrage des Trifels Kurier bei Landwirt Tobias Schönung, der die angesprochenen Maisfelder bewirtschaftet, gab sich dieser positiv überrascht von den Ausführungen des Beratungsbüros, denn: „es ist deutlich geworden, dass es nicht einen Alleinschuldigen an der Misere gibt. Wir alle müssen etwas tun, damit die Folge-Schäden solcher Naturereignisse gering bleiben. Ich muss meine Kulturen schützen und die Leute müssen ihre Häuser schützen“. Und weiter: „Mais wird bei mir schon immer quer zum Hang gesäht, um Bodenerosion zu vermeiden. Auch die SGD (Anmerk. d. Red.: Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd ist eine Obere Landesbehörde von RLP) hat die Richtigkeit bestätigt“.

Aus dem zitierten WHG leitete die Referentin die Empfehlung an die Anwesenden ab: „Schauen Sie, wie Sie sich selbst schützen können. Schließen Sie eine Elementarversicherung ab. Falls es Gebiete gibt, deren Einwohner bei den Versicherungen eine solche nicht abschließen können – was schriftlich bestätigt sein muß – dann kann der Staat Unterstützung im Schadensfall geben.“

Anhand einer Luftbildaufnahme des Klingelbergs lässt sich die Beratungsfirma Obermeyer die kritischen Punkte der letzten Starkregen-Ereignisse erläutern (von links: Martin Cassel, Walter Herzog, Gerhard Stammler). 

Im Rahmen des Vorsorge-Konzepts, das auftragsgemäss unter Berücksichtigung der Erfahrungen und Hinweise der betroffenen Einwohner erstellt wird, werden zunächst nur Empfehlungen für Maßnahmen und deren Umsetzbarkeit in Annweiler ausgespochen, wie Hässler-Kiefhaber betonte. Bisher sind rund 12.000 Euro an Kosten für die Beratungstätigkeit angefallen. Für die Gesamtkosten bis zur Vorlage des Beratungsgutachtens rechnet Bürgermeister Wollenweber mit einem Betrag unter 20.000 Euro. Davon werden 90 Prozent über Fördermittel des Landes RLP finanziert.

Betroffene kommen zu Wort

Gerhard Stammler wohnt im Brunnenring und hat die Klingelberg-Katastrophe von 2016 hautnah miterlebt. Er nutzte den Bürgerworkshop, um seine Sicht einzubringen: „Nur durch beherzte Sofortmaßnahmen des Bauhofs unter koordinierender Leitung von Reiner Paul konnten in diesem Jahr die Schadensfolgen rund um den Bereich Klingelberg in Grenzen gehalten werden, indem der Wasserzulauf zum Rückhaltebecken verbessert wurde. Die Beratungsfirma war bisher offenbar nur sporadisch vor Ort am Klingelberg. Die neuralgischen Stellen des Starkwasser-Abflusses mit Folgeschäden Richtung Honigsack/Steimertal aufgrund früherer gravierender Planungsfehler wurden nicht hinreichend inspiziert. Meine Befürchtung ist, dass durch das Einholen der Gutachten erneut wieder eine lange Zeit vergeht, bis endlich nachhaltige  Baumaßnahmen erfolgen. Lobenswert ist es, dass die Feuerwehr jetzt besser mit Geräten für den Ernstfall ausgerüstet wurde“. Einer der Hauptbetroffenen am Klingelberg, Familie Herzog, bei denen seinerzeit die Schlammlawine durch das Einfamilienhaus strömte, war vom Ergebnis der Veranstaltung wenig angetan: „Erwartet hatte ich, dass endlich konkrete Maßnahmen vorgestellt werden. Ich bin erzürnt, dass nur allgemeine Aussagen auf diesem Bürgerworkshop gemacht wurden, die mir ebenso wie meinen betroffenen Nachbarn längst bekannt waren. Mit Hoffnung erfüllt mich, dass jetzt wenigstens in direktem Kontakt mit dem Beratungsbüro eine gemeinsame Begehung der hochwasserkritischen Flächen auf dem Klingelberg stattfindet. Damit können wir unsere negativen Erfahrungen in den Prozess des Hochwasserschutzkonzepts einbringen“.

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