Annweiler. AfD Wahlveranstaltung im Hohenstaufensaal unter Polizeischutz. Nur wenige Gegendemonstranten

Zigfach eingeübte Abläufe: Kündigt sich die rechte AfD irgendwo an, zuckt es gleich in der anderen Ecke. Es wird sich kurzgeschlossen, via Facebook abgesprochen, bei den Behörden angemeldet, aufgelaufen und lautstark protestiert. So auch am Sonntag in Annweiler. Die AfD im gutbürgerlichen Hohenstaufensaal, die linke Antifa krakeelend auf der Straße. Und beide Lager fein säuberlich durch die Polizei getrennt. Wie derzeit jedes Wochenende. Nächsten Sonntag das Gleiche dann in Stromberg, danach in Kaiserslautern. Ehrlich gesagt, das ganze Affentheater wäre keine Zeile wert, wenn da nicht ….
Bild: Luise Schwarz (89) mit Tochter Barbara: „Als die Nazis kamen und durchs Dorf marschiert sind…“. Alle Fotos: cmc-hi

Annweiler.12.9.2021/Robert Wilhelm/hi. … ja, wenn da nicht Luise Schwarz gewesen wäre. Eine 89 Jahre alte Frau aus Annweiler-Gräfenhausen. Voller anständiger Ehrlichkeit und aufrichtiger Sorge. Sie war die wohl die einzige in der ganzen Szenerie, die jene dunkle Zeit erlebt hat, mit der die Deutsch-Alternativen so gerne ganz schnell in Verbindung gebracht werden. Luise Schwarz, geborene Voos, ist mit ihrer Tochter Barbara als erste da. Mit den positionierten Polizeikräften alleine. Auf dem Bürgersteig gegenüber dem Hohenstaufensaal.

„Habe das noch miterlebt“
Sie schiebt ihren gebrechlichen Körper mit Hilfe eines Rollators ein paar Meter weiter. An einem Griff befestigt ein selbstgebasteltes Plakat. Darauf steht „Nie wieder die AfD-Brandstifter“. Dann beginnt Luise Schwarz, mit uns von der Redaktionsgemeinschaft suedpfalz-aktuell/suewpress.de zu erzählen. „Wissen Sie, ich bin Jahrgang 1933, und ich habe das noch miterlebt damals. Ich bin in Gräfenhausen geboren und lebe dort heute noch. In Gräfenhausen war damals die SPD stark. Mein Vater war auch dabei. Als dann die Nazis kamen und durchs Dorf marschiert sind, gab es ständig Ärger, Enteignungen …“ Dann hält Luise Schwarz kurz inne und fügt an. „Ich will nie wieder solche Abzeichen sehen“. Die tapfere, mutige und aufrichtige Frau wünscht uns einen schönen Tag und schiebt ihren Rollator ein paar Schritte weiter.

Eine AfD-Wahlveranstaltung hat im Hohenstaufensaal nichts zu suchen
Michael Schindler, Kreisvorsitzender adfc Landau-SüW empört sich: „Der Hohenstaufensaal als Veranstaltungsort für eine AfD-Wahlveranstaltung zur Verfügung zu stellen, ist ein Unding. Der Hohenstaufensaal ist ein Bauwerk mit symbolhaft starker Aussagekraft zur deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Er entstand während des Nationalsozialismus und stellt für Rechte heute noch ein bedeutsames Symbol dar“. Auch die Annweilerin Ursula Ziegler findet, dass eine AfD-Wahlveranstaltung nichts im Hohenstaufensaal zu suchen hat: „Es wäre gut, das Gebäude künftig als Mahnmal kenntlich zu machen. Vor diesem Hintergrund ist es umso gravierender, wenn der Hohenstaufensaal ausdrücklich rechten Gruppierungen oder Parteien als Bühne dient“.

Stadträtin Britta Horn von den Grünen meinte, sie habe von der Veranstaltung erst Samstagabend erfahren und sei heute mit der ganzen Familie hier vertreten, „um klar Stellung gegen die AfD zu beziehen“.

Und Carmen Winter, die CDU-Fraktionsvorsitzende im Annweiler Stadtrat sagt: „Wir als CDU-Fraktion wurden im Vorfeld zur Vermietung nicht gefragt. Ansonsten hätten wir uns darüber beraten, um die Folgen einer solchen Veranstaltung im Hohenstaufensaal zu bedenken. Wir teilen im übrigen die Aussagen des Bürgermeisters dazu“ (siehe Kommentar unten).

Kurz zurück zum Rollenspiel
Die AfD um den Kreisvorsitzenden Südpfalz, Eugen Ziegler, MdB Sebastian Münzenmaier aus Mainz (gebürtig aus Gossersweiler, wie er betont) und Moderator MdL Andreas Wondra aus Hagenbach hatten die perfekt durchorganisierte Veranstaltung gut im Griff. Dem AfD-Bundestagskandidaten für den Südpfälzer Wahlkreis 211 bereiteten sie die Bühne. Vor gerade mal rund 50 Anhängern. Angemeldet waren 200, so AfD-Kreischef Ziegler gegenüber der Redaktionsgemeinschaft von Südpfalz-aktuell.de/suewpress.de.

Mageres Häuflein der Antifa
Auf seiten der Antifa war auch nicht wirklich Andrang zu erkennen. Wären deren Reihen nicht von Bürgern, Vertretern der Jusos, SPD, Grünen und Linken den Rücken stärkend, aufgefüllt worden, wäre es ein Häuflein von rund 25 Leuten gewesen. Angekündigt und genehmigt waren 50 bis 80, informierte der Einsatzleiter der Polizei, Weißengerber, im Gespräch mit der Redaktion.

AfD. Statt 200 nur 50 Anhänger im Saal
Im Hohenstaufensaal redete sich AfD-Kandidat Schattner gerade über hohe Steuerlasten, Corona-Politik, die Inflation und einen nötigen Kassensturz warm. Draußen wurden die Vertreter der Antifa, die sich unter anderem gegen die angeblich fremdenfeindlichen und familienpolitischen Ansichten der AfD ausließen, von der Polizei zurück zum Bahnhof begleitet. Nächsten Sonntag beginnt das Spiel von Neuem. In Stromberg, darauf in Kaiserslautern.

Kommentar
Ob sich die Stadt Annweiler der öffentlichen Wirkung bewusst war, als sie entschied, den historisch bedeutsamen Hohenstaufensaal an die AfD für eine Wahlkampfveranstaltung zur Verfügung zu stellen?
Diese Partei wird immerhin in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet und als rechtsradikal eingestuft.

Auf Nachfrage dazu von Südpfalz aktuell und suewpress.de meinte Bürgermeister Benjamin Seyfried: „Wir leben in einer Demokratie. Und Gott sei Dank haben wir eine, die beides aushalten muss: Sowohl eine Veranstaltung einer demokratisch gewählten Partei, welche in etlichen Kommunalparlamenten, im Landtag und Bundestag vertreten ist, als auch Demonstrationen. Die AFD sitzt ja auch im Stadtrat, wenn auch nur mit einem Sitz., Und somit ist es dieser auch formal möglich, den Saal zu mieten. Wenn die Stadt den Hohenstaufensaal  nicht mehr für politische Parteien anbieten möchte, muss sie dies einheitlich festlegen“. 

Das mag sich ja alles nachvollziehbar anhören – vordergründig. In Wirklichkeit ist es sich schon sehr leicht gemacht, bei einer so extrem sensiblen Angelegenheit, die höchstes Fingerspitzengefühl erfordert. Um mal in der Annweiler mächtigen Geschichtssymbolik zu bleiben. Der Begriff „staufen“ in Hohenstaufensaal kommt aus dem Althochdeutschen und bedeutet steiler/spitzer Kegel/Deckel. Will sagen: Hier wurde in einer Alleinentscheidung schlichtweg versucht, den Deckel draufzumachen. So naiv kann niemand sein. Oder?