Wohnbauprojekt Nordring.
Baugenehmigung rechtens. Anwohnerklagen abgewiesen

Im November 2019 war vom Annweiler Stadtrat der Bebauungsplan „Wohnanlage Nordring“ einstimmig verabschiedet worden. In einem Normenkontrollverfahren hatte dann das Oberverwaltungsgericht in Koblenz im Mai 2021 den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Die vom Kreis SÜW erteilte, weiterhin gültige Baugenehmigung bezog sich demzufolge dann auf einen „unbeplanten Innenbereich von Annweiler“.  Dagegen waren mehrere Nachbarschaftsklagen anhängig, die allesamt abgewiesen wurden. Kürzlich wurde nun auch die letzte Klage eines Anwohners beim Verwaltungsgericht Neustadt abgelehnt. Die Klage hatte sich gegen den Bebauungsplan und den Landkreis SÜW als Genehmigungsbehörde gerichtet.
Bild: Wohnanlage Nordring im Bau. Baurechtlich zulässig und städtebaulich erwünscht. Foto: cmc-hi

Annweiler.6.8.2021/hi. „So viel Transparenz und Öffentlichkeit war noch nie“, hatte seinerzeit Bürgermeister Seyfried die aufwändige Behandlung aller Einsprüche im Bebauungsplanverfahren „Wohnanlage Nordring“ kommentiert.

Und in der Tat, einigermassen ungewöhnlich war es gewesen, dass beim Ortstermin im November 2019 eigens mit einer Hebebühne und einem Mast auf dem Baugrundstück die geplante Höhe der dreigeschossigen Wohnanlage veranschaulicht wurde. Damit sich die Stadträte gemeinsam mit den Anwohnern in aller Öffentlichkeit ein Bild machen konnten von den Bedenken der Anwohner, dass ihnen durch die Häuserblocks ihre freie Sicht genommen würde.

Danach verabschiedete der Annweiler Stadtrat einstimmig den Bebauungsplan. Dagegen wurde geklagt. Und in einem Normenkontrollverfahren erklärte das OVG den Bebauungsplan für unwirksam, weil die Höhenbestimmung nicht präzise genug gefasst worden war. Unbeschadet dessen blieb die von der Baubehörde des Landkreises SÜW erteilte Baugenehmigung gültig. Jetzt halt in einem unbeplanten Gebiet der Annweiler Innnenstadt.

Anwohner hatten daher einen Antrag auf gerichtliche Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die von der Kreisverwaltung erteilte Baugenehmigung gestellt.

Einstweiliger Rechtsschutz
Ein solches Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat folgenden Hintergrund: Die erteilte Baugenehmigung ist zunächst wirksam. Der Bauherr kann also sofort mit dem Bauvorhaben beginnen. Die Anwohner-Klage gegen die Erteilung der Baugenehmigung entfaltet keine aufschiebende Wirkung. Sie setzt die Wirksamkeit der Baugenehmigung nicht aus. Deshalb ist der Bauherr trotz einer erhobenen Anfechtungs-Klage der Anwohner weiterhin im Besitz einer wirksamen Baugenehmigung. Der Bau geht also weiter.

Bedeutung des einstweiligen Rechtsschutzes
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes prüft das Gericht mit einer umfassenden Interessenabwägung, ob das Aussetzungsinteresse der Anwohner das Vollzugsinteresse des Bauherrn überwiegt. Nur wenn ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit nachbarschützenden Vorschriften bestehen, würde das Gericht die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die vom Landkreis SÜW erteilte Baugenehmigung anordnen.

Keine Vorschriften zum Nachbarschutz verletzt
Die Verwaltungsrichter kamen bei ihrer eigenen, originären Interessenabwägung jedoch zu dem Ergebnis, dass derartige nachbarschützenden Vorschriften beim Bauvorhaben Nordring nicht verletzt sind. Die Anwohner, so das Gericht, könnten sich auch nicht darauf berufen, dass sich die Wohnblocks nicht in die Umgebung einfügen würden.

Typischen Prägung des Baugebiets wird nicht verletzt.
Sodann kommt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass auch der grundsätzlich bestehende so genannte „Gebietsprägungserhaltungs-Anspruch“ nicht verletzt sei. Das Bauvorhaben Nordring stehe „in keinem qualitativen Widerspruch zur Eigenart des Wohngebietes insgesamt“.

Denn in der näheren Nachbarschaft des Bauvorhabens fänden sich nicht nur Einfamilien- oder Doppelhäuser, sondern auch zahlreiche mehrgeschossige Wohngebäude mit vergleichbarer Kubatur (= umbauter Raum, die Red.). Und die von der Baugenehmigung umfasste Bebauung mit drei Mehrfamilienhäusern mit jeweils zehn Wohneinheiten widerspreche auch nicht offenkundig der Eigenheit des Wohngebietes.

Kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme
Das Bauvorhaben verletze auch nicht das Gebot, auf schutzwürdige Interessen der Nachbarn Rücksicht zu nehmen. Sowohl die baurechtlich vorgeschriebenen Abstandsflächen, als auch Lärmschutzvorschriften werden nach Wertung des Gerichts nämlich eingehalten.

Keine unzumutbaren Beeinträchtigungen durch die Stellplätze
Auch ansonsten seien keine unzumutbaren Beeinträchtigungen feststellbar. Etwa durch eine unzureichende Stellplatzzahl für PKW.

Die angefochtene Baugenehmigung umfasst die Errichtung von insgesamt 45 Stellplätzen. Die Zufahrt erfolgt von Osten her über die Straße „Hinterer Winkel“. Foto: cmc-hi

Schließlich stellte das Gericht klar, dass die antragstellenden Nachbarn unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch darauf hätten, dass sich die Bebauung auf einem Nachbargrundstück nicht ändert. Vielmehr seien Maßnahmen der städtebaulich erwünschten Nachverdichtung hinzunehmen, solange sie baurechtlich zulässig sind.

Den Antragstellern steht jetzt die Möglichkeit einer Beschwerde gegen die Entscheidung des VG Neustadt offen.

Bürgermeister Seyfried: „Transparentes Verfahren mit enormer Beteiligung der Öffentlichkeit“
Auf Nachfrage von Südpfalz aktuell erklärte Stadtbürgermeister Benjamin Seyfried: „Über die Klage der Anwohner gegen den Landkreis SÜW ist mir nichts bekannt. Lediglich über das Normenkontrollverfahren beim OVG. Mir war diese Angelegenheit von Anfang an sehr wichtig, deswegen habe ich der damaligen Verhandlung vorm OVG in Koblenz persönlich beigewohnt. 

Es ist natürlich sehr bedauerlich, dass der Bebauungsplan nun durch das OVG aufgrund der unzureichenden Höhenbestimmungen für unwirksam erklärt wurde. Jedoch ist mir aber auch wichtig, dass dieser in allen anderen Punkten als unproblematisch und einwandfrei erklärt wurde. Selten wurde ein solches Verfahren transparent und mit einer enormen Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt. Für mich war das Projekt Bebauungsplan Nordring eine große Lehre. Viele wichtige Punkte für die zukünftige Arbeit konnten wir mitnehmen. Wir werden zukünftig mit Sicherheit bei dem ein oder anderen Projekt nochmals genauer nachhaken. Letztlich haben wir alle bei dieser Sache eines gewonnen: Erfahrung“.

Ortsbesichtigung und Stadtratssitzung am Samstag
Bebauungsplan Nordring einstimmig verabschiedet

„Ich bin etwas enttäuscht“, kommentierte Uli Böck, Sprecher der IG Nordring, die Entscheidung des Stadtrats. Nach insgesamt dreieinhalbstündiger Sitzung einschließlich vorhergegangener Ortsbesichtigung am Bauplatz Nordring gegenüber dem Stellwerk beschloss der Stadtrat einstimmig bei einer Enthaltung den Bebauungsplan. Damit kann der Bauantrag für die Errichtung von 24 Wohneinheiten vom Grundstücksteigentümer gestellt werden.
Bild: Die Höhe des Mastes zeigt die Oberkante der geplanten Wohnbauten. Foto: hi

Annweiler.23.11.2019/hi. „So viel Transparenz und Öffentlichkeit war noch nie“, kommentierte Bürgermeister Seyfried die aufwändige Behandlung aller Einsprüche im Bebauungsplanverfahren „Wohnanlage Nordring“.

Und in der Tat, einigermassen ungewöhnlich war es, dass beim Ortstermin eigens mit einer Hebebühne und einem Mast auf dem Baugrundstück die geplante Höhe der dreigeschossigen Wohnanlage veranschaulicht wurde. Damit sich die Stadträte gemeinsam mit den Anwohnern in aller Öffentlichkeit ein Bild machen konnten von den Bedenken der Anwohner, dass ihnen durch die Häuserblocks ihre freie Sicht genommen würde.

Zum Ortstermin war der Grundstückseigentümer, Martin Köhler, gemeinsam mit seinem Bauplaner Horst Wonka aus Nünschweiler, gekommen. Die vorläufige Bauplanung konnte jeder einsehen und alle Fragen und Bedenken dazu im direkten Gespräch mit dem künftigen Bauherrn diskutieren.

Stadtspitze 100 Tage im Amt. Bürgergespräche auf dem Rathausplatz
“Schee is des, dass ihr jetzt im Ambert Park en Spielplatz macht”

Dass an einem nebelig-kalten Freitagvormittag Ende November der Markt in Annweiler sehr gut besucht war, hatte diesmal einen besonderen Grund. Der neue Stadtvorstand ist jetzt 100 Tage im Amt. Aus diesem Grund hatte Bürgermeister Benjamin Seyfried (parteilos) mit seinen Beigeordneten, Dirk Müller-Erdle (FWG) und Peter Grimm (FDP), eine „Gesprächsplattform“ aufgebaut, um mit den Bürgerinnen und Bürgern über die Arbeit im Rathaus zu sprechen. Krankheitsbedingt war Beigeordneter Benjamin Burckschaft (CDU) nicht mit dabei.
Foto: hi

Annweiler.22.11.2019/hi. Das Gesprächsangebot wurde von den Marktbesuchern durchaus engagiert wahrgenommen und zu teilweise intensiven Dialogen mit den gewählten Stadtverantwortlichen genutzt. Unterschiedlichste Themen kamen dabei zur Sprache. Natürlich auch das aktuell umstrittene Bauvorhaben Nordring.

„Das ist genau der direkte Kontakt“, meinte beispielsweise Peter Rollwa, „den die Leute brauchen, um ohne große Umwege ihre Wehwehchen und Anliegen an den Mann zu bringen“.

„Schee is des, dass ihr jetzt im Ambert Park en Spielplatz macht“ lobte die Annweilerin Klein ihren Bürgermeister. Eckart Bonin stimmte zu: „Sympathisch und bürgernah ist das, wenn man im persönlichen Gespräch Näheres dazu erfährt, dass endlich Vieles auf einen guten Weg gebracht wird, und mit Fördermitteln die Schmuckstücke Markward-Anlage und Ambert Park aufgewertet werden“.

Zufälliges Timing oder nicht – jedenfalls waren die Diskussionen zum umstrittenen Bauvorhaben Nordring, auch am Infostand zu vernehmen

Wären die vom Bauvorhaben unmittelbar betroffenen Anwohner darüber informiert gewesen, dass anstelle der möglichen durchgängigen Bebauung inzwischen eine dreigliedrige Planung vorliegt, dann wäre vermutlich kaum die Befürchtung, später vor einer regelrechten Mauer zu stehen, aufgekommen.

Wie die offen gelegte Bauplanung zeigt, wird auf einer Breite von 93 Metern nur rund die Hälfte von Häuserfronten eingenommen. Denn jedes einzelne Gebäude ist 17 Meter breit. Dazwischen gibt es Lücken von jeweils ca. 10 Metern. Auf dem über 4.000 qm großen Grundstück werden durch die Wohnhäuser lediglich 560 qm bebaut.

Und bereits im Bauausschuss der Stadt hatte man die Belange der Anwohner im Auge und legte fest, dass die Gesamthöhe der Gebäude nur so hoch sein darf, dass vom Erdgeschoss der am Hang darüber liegenden Häuser weiterhin der schöne Blick auf den Trifels möglich sein soll.

Was nicht immer allen bekannt ist, sind gesetzlich geregelte Bauvorschriften. Für die geplanten …. Wohnungen sind beispielsweise 36 PKW-Stellplätze zwingend vorgeschrieben. Daran kann der Bauherr nicht vorbei.

Letztlich ist es ein Abwägungsprozess, den die gewählten Stadträte leisten müssen, um zu einer Entscheidung zu kommen. Denn unstrittig ist, dass Annweiler einen großen Bedarf an zusätzlichem Wohnraum hat. Für den sind aber kaum noch freie Baugrundstücke verfügbar. Insofern ist es sicherlich auch aus städtebaulicher Sicht notwendig, die noch freien, bebaubaren, Flächen optimal zu nutzen. Das heißt eben Verdichtung durch Bauen in die Höhe.