Schaden größer als Nutzen.
Nicht tragbar wie mit Gastronomie umgegangen wird

Die Gastronomie und deren potentielle Kundschaft litten unter den ständig erneuerten Beschränkungen und Verboten der Corona-Bekämpfungsverordnungen des Landes. Diese würden ungenügend erklärt und begründet. In der Folge sei deren Sinnhaftigkeit nicht immer erkennbar und der Schaden könne mitunter größer sein als der Nutzen.
Dieser Tenor ergibt sich aus einem Gespräch mit Sonja Spieß, Leiterin des „Tourist-Info-Zentrum Pfälzerwald“ (Hauenstein) und Patrick Weißler, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Hauenstein.

Bild: Ausflugrestaurant. Schwer zu erklären: Speisen und Getränke können gekauft, aber nur auf einer nahen öffentlichen Bank oder im umliegenden Gelände verzehrt werden. Dort, wo der Wirt keinen Einfluss nehmen kann. (Gesehen in Hauenstein)“  Foto: W.G.Stähle

Hauenstein (Südwestpfalz). 8.5.2021/Werner G. Stähle. „Das ist keine Problematik, das ist Tragik“, schilderte Sonja Spieß aus ihrer Praxis. Diese Branche habe für den Schutz ihrer Gäste und des Personals alles Erforderliche getan. Darunter Hygienevorkehrungen, Abstandregelungen, Infektionsschutzmasken und Trennvorrichtungen: „Es ist nicht gerechtfertigt und nicht tragbar, dass ‚von oben‘ mit unseren Gastgebern so umgegangen wird.“

Restaurant sicherer als großes Picknick im Wald
Möglicherweise sei zu wenig reflektiert worden, ob manches angepasst werden kann, vermutet Patrick Weißler. Er wolle nicht anklagen, sondern zum Nachdenken anregen. Für die Bundesliga beispielsweise seinen Rahmenbedingungen geschaffen worden, für den Breitensport hingegen nicht. Und ebensowenig für die Gastronomie.

Würde man hier die Praktiker einbeziehen, könnten zielführende Konzepte umgesetzt werden. Das sei dringend erforderlich. Restaurant sei sicherer als großes Picknick im Wald. Familienfeiern in der Gastronomie wären Hygieneregeln unterworfen, anders als im Privatbereich, wo sich Treffen in der Vergangenheit wiederholt als Infektions-Brennpunkte erwiesen hätten und aktuell erweisen würden. Hier zeige sich die Kontraproduktivität mancher Entscheidungen.

Archivbild: Touristikerin Sonja Spieß und Bürgermeister Patrick Weißler, präsentieren die Tourist-Info-Zentrum Pfälzerwald angebotene „Veschberdudd“.

Die Praxis wird von der Politik nicht gehört
Verbände von Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) bis PfalzTouristik hätten bei den Regierungen von Land und Bund interveniert, wusste Sonja Spieß zu berichten. Das sei ohne Resonanz geblieben. Ebenso öffentliche Protestaktionen wie „gedeckte Tische – leere Stühle“ im April letzten Jahres in vielen Städten Deutschlands, darunter Trier und Koblenz.

Nichts habe bewirkt, dass wenigstens eine Fachkommission gebildet wurde: „Das ist nicht nachvollziehbar“. Man müsse die Fachleute mit ins Boot holen. Wenn Praxiswissen nicht respektiert werde, führe das zu Ohnmachtsgefühl.

Es müssten Pilotprojekte angegangen werden, schlägt Sonja Spieß vor, aber für die Politik seien Branchen wie die Gastronomie anscheinend nicht systemrelevant. Im Gegensatz zum Profisport.

Fehlende Wertschätzung
Kenntnisse von Verbänden und Betroffenen nicht einzubeziehen, lasse Wertschätzung vermissen. Gastronomen und ihre Beschäftigte würden entmündigt, fügte Bürgermeister Weißler an: „Die Leute wollen, dass die Politik nachdenkt, statt einfach nur ‚Basta‘ zu sagen.“ Mitunter fehle der Bezug zur Lebenswirklichkeit. Erforderliche Maßnahmen müssten erklärt und begründet werden. Sich pauschal auf Gesundheitsschutz zu berufen reiche nicht, insbesonders wenn es um Grundrechte gehe.

Dementsprechend habe kürzlich das Verwaltungsgericht Mainz die vom Land verlangte Ausgangssperre als ungenügend begründet verworfen. Die Regierenden müssten ihrer Verantwortung gerecht werden und dürften andernfalls nicht grollen, wenn sie auf Unverständnis oder gar Widerstand stoßen: „Man muss die Bürgerschaft mitnehmen“.

Jeweils neue Vorschriften werden zu spät kommuniziert
Die jeweils neuen Vorschriften würden regelmäßig zu spät kommuniziert. Das sei auch bei der mittlerweile 19. Corona-Bekämpfungsverordnung des Landes vom 24. April so gewesen, bemängelt die Tourismusbüro-Leiterin. Sie hätte dann umgehend die Beherbergungsbetriebe zu benachrichtigen. Die ihrerseits müssten dann schnellstens den Gästen absagen, die bereits vorsorglich reserviert hätten – in der Hoffnung, nach Auslaufen der vorangegangenen Verordnung wäre Urlaub im Pfälzerwald wieder möglich.

Auch für Urlauber sei dies naturgemäß äußerst unbefriedigend.

Jüngstes Beispiel: Die gegenwärtig gültige Verordnung verliert ihre Gültigkeit am Sonntag, 23. Mai. „Das ist unsinnig, weil an Pfingsten“, meint die Touristikerin, „eine Woche vorher oder nachher wäre besser“. (Anm.d.Verf.: Die am Freitag 23. April von Ministerin Bätzing-Lichtenthäler unterzeichnete Verordnung trat am folgenden Tag in Kraft).

„Gewerbebetriebe brauchen Planungssicherheit“, bestätigte Bürgermeister Weißler. Das gelte für alle Branchen. Er habe einmal unterschrieben, die „Schuhmeile“ (Outlett für Schuhe und Sport, Hauenstein) kann am Sonntag öffnen. Am Freitag sei dann der Anruf gekommen, „Eure Werte gehen hoch, Ihr müsst eigentlich schließen“. „Ich musste am Freitag revidieren, was am Montag noch in Ordnung war. Das können die Leute nicht mehr nachvollziehen.“

Wo steckt man sich an?
„Im kleinen Fachgeschäft? Warum nicht im ‚Real‘, wo Kundschaft sich drängt und am Personal vorbeistreift, das Regale einräumt?“ stellt Patrick Weißler zur Diskussion. Regelungen müssten nachvollziehbar sein, verlangt er. Es sei zu befürchten, dass zunehmend Vorschriften unbeachtet bleiben, weil sie für unsinnig gehalten werden. So schwinde Vertrauen in die Politik: „Das öffnet eine Flanke für extremere Positionen“, befürchtet der Kommunalpolitiker.

Geld für Ausgleichszahlungen kommt zu spät
Die Praxis, für Ausgleichszahlungen die jeweiligen Umsätze des Vorjahres als Maßstab zu nehmen, sei oft ungeeignet. Beispiele seinen Existenzgründung oder wenn der Betrieb im maßgeblichen Zeitraum wegen Erweiterungsmaßnahmen wie Saunaeinbau ganz oder teilweise geschlossen war, sowie bei Witterungsabhängigkeit, bemängelte Bürgermeister Weißler.

Getätigte Investitionen, die abbezahlt werden müssen, blieben unberücksichtigt, ergänzt Sonja Spieß aus Erfahrung. Zudem kämen die Gelder regelmäßig zu spät: „Erst im April, sind Zahlungen für November und Dezember überwiesen worden.“

Sie wollten „das hohe Gut Gesundheit“ erhalten, betonten beide zusammenfassend. Dies könne aber nur Gelingen, wenn Verordnungen praxisgerecht und mit den Beteiligten abgestimmt seien.